Beschreibung
Mehrere Gründe waren ausschlaggebend, dass die Wilhelma auf
einen Neubau für die afrikanischen Menschenaffen
drängte:
- Die bestehende Anlage aus den 70er Jahren entspricht nicht mehr
den Flächenanforderungen des europäischen
Erhaltungszuchtprogramms.
- Die Anlage stieß von ihrem funktionellen Erscheinungsbild
mit gekachelten Schauräumen und einer Außenanlage mit
Betonböden und -wänden ohne Bepflanzung auf Ablehnung bei
den Besuchern.
- Nach 35 Jahren Dauerbetrieb müssen die technischen und
baulichen Einrichtungen dringend saniert werden.
Wettbewerb
Das direkt im Anschluss an das Landschaftsschutz- und FFH-Gebiet
Rosensteinpark gelegene Baugelände erforderte einen
respektvollen Umgang mit der Umgebung. Den im Jahr 2006
durchgeführten einstufigen, begrenzt offenen Wettbewerb mit 25
Teilnehmern gewann die Arbeitsgemeinschaft Hascher Jehle
Architektur, Berlin und Böhm, Benfer, Zahiri Landschaft und
Städtebau, Berlin.
Entwurf
Die Lösung war ein Entwurf, der den Landschaftspark
einbezieht, indem er auf die Formung eines Hauses verzichtet und
den Park über das Haus zieht. Ein s-förmiger, unter der
Erde liegender Baukörper schlängelt sich um den
150-jährigen Baumbestand. Zwei gegeneinander stehende
Halbschalen, an den Hochpunkten jeweils 7,5 m über dem
Gelände, öffnen sich zu den Eingängen und nehmen die
intensiv begrünten Dächer auf. Darin integriert sind je
zwei Lichtbänder, die einen hellen Eindruck im Innern
ermöglichen. Die Umsetzung des Baus konnte nur in engem
Benehmen mit der Wilhelma geschehen. Hohe Sicherheits- und
Hygieneanforderungen forderten komplexe Bedingungen für den
Bau, der die normalen Anforderungen an Gebäude weit
übersteigt.
Außenanlage
Zur Sonne im Süden grenzen die zwei insgesamt 1200 m²
großen Außengehege der wärmebedürftigen
Bonobos, im Norden das übernetzte, 100 m² große
Außengehege für die Handaufzuchten und das 2000 m²
große, nach oben offene Familiengehege der Gorillas, das im
Bedarfsfalle geteilt werden kann. Zur Sicherung gegen Ausbruch und
zur optimalen Nutzung des Raumes erhielten die Bonobogehege eine
bis zu 15m hohe Umhausung mit einer Netzmembran, die zur
Erschließung durch den Künstler 'Werner Hofmann' mit
stilisierten Baumskulpturen, die Urwaldriesen nachempfunden wurden,
ausgestattet wurden. Die Außenanlage der Gorillas wird durch
eine 4 m hohe Mauer, durchbrochen durch Holzmodule,
Panzerglaselemente mit Nahbegenungszonen, eine Travertinfelsen
nachempfundene Kunstfelsmauer und einen 7 m breiten und 40 m langen
Wassergraben gegen den Ausbruch der sehr gefährlichen Tiere
gesichert.
Ausstattung
Bei der Ausstattung wurde auf Bewährtes zurückgegriffen.
Wie im alten Haus erhalten die Menschenaffen eine sich nach hinten
erhebende Geländestruktur, auf die vertikale Edelstahlstangen
mit horizontalen Holzleimbindern zu Kletterwegen verbunden sind.
Von der Decke und den Lichtbändern wurden von der Wilhelma
Seile sowie Hängematten aus Feuerwehrschläuchen
abgehängt.
Info-Konzept
Über Infotafeln, die zum Teil mit Bildschirmen und
interaktiven Touchscreens ausgestattet sind und einen Kinoraum soll
Wissen vermittelt und Hintergründe erläutert werden.
Technik
Auf die künstliche Be- und Entlüftung der
Schauräume wurde weitgehend verzichtet. Die Belüftung und
Temperierung wird durch die Steuerung der Fassaden- und
Deckenklappen, die auch der Entrauchung dienen, sichergestellt. Ein
Programm regelt deren Öffnung in Abhängigkeit von
Außen- und Innentemperatur anhand festgelegter Parameter. Die
massive Konstruktion wird zur Pufferung der Innentemperatur nachts
ausgekühlt, um am Tage die Hitze durch Schließen der
Klappen und des Sonnenschutzes fernzuhalten. In der Anlage
integriert ist eine Netzersatzanlage mit einer Leistung von 2500
kW, die die gesamte Wilhelma von der öffentlichen
Elektroversorgung unabhängig macht.
Projektdaten
Bauherr und Projektsteuerung:
Land Baden-Württemberg, vertreten durch den Landesbetrieb
Vermögen und Bau Baden-Württemberg, Amt Stuttgart
Architekten und Ingenieure für Gebäudeplanung:
Hascher + Jehle Planungsgesellschaft mbH, Berlin mit Guggenberger
+ Ott, Leinfelden-Echterdingen
Außenanlagenplanung:
Möhrle und Partner, Stuttgart
Technische Ausrüstung:
Heizung, Lüftung, Sanitär, MSR:
Rentschler und Riedesser, Stuttgart
Elektro:
Klett-Ingenieur-GmbH, Fellbach
Hydraulik/Maschinenbau:
Hochmuth und Beyer GmbH & Co. KG,
Ettlingen
Tragwerksplanng:
Weischede, Herrmann und Partner, Stuttgart
Bauphysik:
GN Bauphysik, Stuttgart
Tageslichtplanung:
Institut für Tageslichttechnik, Stuttgart
Infosystem:
Ranger Design, Stuttgart
Medienprogrammierung:
2AV GmbH, Ulm
Flächendaten:
Nutzfläche Innen: 2.100 m²
Nutzfläche Außen 3.400 m²
Bruttorauminhalt: 15.750 m³
Gesamtbaukosten:
20 Mio. Euro
Ausstattung: 1 Mio. Euro
Netzanlage: 1 Mio. Euro
Bauzeit:
06/2010 - 05/2013
Der Neubau der Anlage für afrikanische Menschenaffen des
Zoologisch-Botanischen Gartens Stuttgart wurde mit der
Hugo-Häring-Auszeichnung 2014 gewürdigt.
Vergeben wird diese Architektur-Auszeichnung für vorbildliches
Bauen vom Landesverband Baden-Württemberg des Bundes Deutscher
Architekten, BDA.
Weitere Informationen zur Hugo-Häring-Auszeichnung
Broschüre
|